Philosophie im Alltag - Kritik an der Bienenfabel

Aus Wellnessprodukte von Telse & Andreas Gross
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von Dipl.-Ing. Andreas Groß[1]

Die heutige Bedeutung der Bienenfabel zeigt sich in weit über 8000 Einträgen in der Suchmaschine Google. Darunter so aufschlußreiche Links wie zu einigen Universitäts-Rechnern mit Ankündigung zu Veranstaltungen des Philosophischen Seminars (Uni Bonn, immerhin "Hauptseminar Ethik und Ökonomie bei Bernard Mandeville", so auch an der Uni Frankfurt im historischen Seminar) oder der Wirtschaftswissenschaften (Uni Berlin, die beiden Hochburgen, wo unsere Bundespolitiker ausgebildet werden) oder in der Psychologie[2]. Auch in Schulen wird der Stoff noch gehandelt, wie sich an einem kommerziellen Schulreferate-Anbieter zeigt.

Die Bienenfabel ist also hochaktuell, obwohl sie in knapp 10 Jahren ihr 300 jähriges Jubiläum feiern wird. Sie wurde von dem holländischen Arzt[3] Bernard de Mandeville (* um 1670 Dordrecht/Holland, † 21. 1. 1733 London) 1714 geschrieben und 1761 ins Deutsche übersetzt. Der Autor wandte sich in „Die Bienenfabel”, gegen den philosophischen und ökonomischen Optimismus von A. A. C. Shaftesbury.

Anthony Ashley Cooper Shaftesbury, Earl of Shaftesbury, war ein englischer Philosoph, (* 26. 2. 1671 London, † 15. 2. 1713 Neapel, Enkel von Anthony A. C. Shaftesbury); Begründer des englischen ethischen Sensualismus, ausgehend vom Neuplatonismus: Sittlichkeit wird zur Entfaltung ursprünglicher Naturanlagen des Menschen, das Gefühl zur Erkenntnisquelle und die Religion zu einem inneren Erleben der Weltharmonie. Shaftesburys Einfluss war bedeutsam (A. Pope, Herder, Goethe, Schiller, Rousseau).

Man versteht die Auseinandersetzung um die Bienenfabel besser, wenn man sich anschaut, wann sie geschrieben wurde: 1776 war die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, Declaration of Independence, das von T. Jefferson formulierte Dokument, in dem die 13 nordamerikanischen Staaten ihre Unabhängigkeit von der britischen Monarchie verkündeten. Zwei Jahrzehnte später rebellierte das französische Volk gegen die aristokratische Herrschaft in ihrem Lande. Diese bürgerlichen Revolutionen prägten das Jahrhundert und gaben uns viele Freiheitsrechte, von denen wir heute noch profitieren können.

Mandeville war ein Ideologe, der die Korruption des Mittelstandes und der Oberschicht rechtfertigte, und dazu aufrief, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse trotz aller offensichtlichen Korruption und Ausbeutung zu erhalten. Er war ein Unterdrücker, wie er im Buche steht und dient uns daher heute noch als abschreckendes Beispiel.

Dieser Artikel setzt sich mit seinem Hauptwerk auseinander, mit dem noch heute vor allem junge Leute in der Schule und Universität verseucht werden sollen: Es wird ihnen die Idee vermittelt, dass sie Recht tun, wenn sie ihren priviligierten Status auf Kosten von Ehrlichkeit und Anstand ausbauen, nur nach Profit trachten und sich zum willfährigen Diener oligarchischer Machtausübung machen. Diesen Lernenden wir die Lüge angedreht, dass die Alternative zu Korruption, ein ethisches Leben in Armut und Mühsal sei. Tatsächlich ist ein ethisches und produktives Leben auch für Intellektuelle, Akademiker und andere Mitglieder des Mittelstandes nicht nur die Quelle von Reichtum, sondern auch von wirklicher Zufriedenheit und echtem Selbstbewußtsein.

Mandeville besitzt doch tatsächlich die Frechheit, gerade einen Bienenstock als Analogie für menschliches Verhalten und insbesondere zur Rechtfertigung der Verfolgung egoistischer Individualinteressen zu nehmen. Andere Autoren haben den Menschen mit Affen oder Raubtieren verglichen, um den gleichen Zweck zu verfolgen. Auch dieser Ansatz geht natürlich an der Sache vorbei, denn seit Platon weiß die Menschheit, was den Menschen vom Tier unterscheiden sollte: Sein Bewusstsein über sein Bewusstsein. Auch ein Tier ist sich bewusst, auch ein Tier denkt. Aber ein Tier ist sich nicht seines Bewusstseins oder seines Denkens bewusst und kann nicht darüber nachdenken und sich so zu höheren Daseinsebenen aufschwingen.

Aber jeder, der sich schon mal mit Bienen oder anderen Insektenvölkern wie auch Ameisen befasst hat weiß, dass diese faszinierenden Tierchen alles andere als individuell oder egoistisch motiviert sind. Ein Bienenstock wird unter Imkern sogar als „der Bien“ angesprochen, als ob der ganze Stock ein ganzes, handelndes Wesen sei. Die einzelne Biene handelt immer und ausschließlich nach den Gemeininteressen des ganzen Stockes, noch nie wurde eine egoistische Biene angetroffen. Andernfalls würde eine Biene im Angriff gegen eine äußere Bedrohung niemals ihr Leben opfern: Denn „im Bienenstich“ verliert sie – im Unterschied zur Wespe – ihr Leben, denn der Stachel bleibt in der Wunde hängen und reißt der Biene einige Organe aus dem Leib. Im Unterschied zum waffenstarrenden Soldaten hat die kämpfende Biene keine individuelle Überlebenschance. Der Bienenstock offenbart damit ein Phänomen, aus dem auch der Mensch etwas über sich lernen kann: Ein nicht-egoistischer Überlebenstrieb. Der Bienenstock operiert auf der Basis, dass die einzelne Biene ihr Handeln am Überlebens-Interesse des gesamten Stocks orientiert. Es wurde oft behauptet, dass der Mensch allein nach individuellen, d.h. egoistischen (ego ist lateinisch für „ich“) Motiven handelt. Doch eine genauere Beobachtung würde ergeben, dass den Menschen folgende 8 Triebe antreiben:

1. Er handelt auch zu seinem eigenen, persönlichen Vorteil. Er wünscht sich persönliches Eigentum und achtet auf die Gesundheit, Ernährung und Schutz seines eigenen Körpers u.ä.

Doch 2. ist er auch ein Familienmensch: Er sucht eine Partnerin, mit der er durch Dick und Dünn gehen kann, der er vertraut, mit der er Kinder aufziehen kann. Für die Partnerin und die Kinder ist er bereit, sich aufzuopfern. Schon oft sind Menschen zum Schutz ihrer Familie in den Tod gegangen.

3. ist der Mensch auch als Gruppenwesen zu sehen: Er organisiert sich in Vereinen, Betrieben, Organisationen, Nationen und identifiziert sich mit ihnen. Er zieht dafür sogar mal in den Krieg und opfert sein individuelles Dasein, wenn die Gruppe es in der Not einmal braucht. Jedes Volk kann auf großes Heldentum zurückblicken.

Und 4. sind Menschen motiviert, sich für das Überleben der ganzen Menschheit einzusetzen. Der Film „Independence Day“ zeigt diese Dynamik, diesen Drang aller Menschen, dass die Menschheit überleben möchte. Es ist das Thema aller Filme, mit Angriffen von Außerirdischen auf die Menschheit. Es ist das Motiv jedes Kriegsdienstverweigerers, jedes Pazifisten, jedes internationalistisch denkenden Wesens.

Aber es gibt noch mehr: Die 5. Dynamik des Menschen, der 5. Trieb oder Drang zu überleben schließt alle lebenden Wesen mit ein: auch die Pflanzen und Tiere. Die Ökologiebewegung zeigt diesen Drang. Menschen riskieren ihr Leben, um die Wale zu retten. Sie steuern kleine, waffenlose Schlauchboote zwischen harpunierende Walfänger und ihre Schutzbefohlenen. Aber auch Vegetarier sind ein Beweis dafür, dass zumindest manchen Menschen das Leben ihrer Mitgeschöpfe wichtiger ist, als ihre persönliche Befriedigung ihrer Gaumenfreuden. Und schon im Kleinen zeigt sich diese 5. Dynamik: In Katze, Hund u.a. Kuscheltieren. Auch der Film „E.T.“ zielt auf das Mitgefühl der menschlichen 5. Dynamik. Der Ausserirdische muß nicht nur ein Feind sein, sondern ist ein anderes denkendes, fühlendes Wesen, mit dem man sich auseindersetzen kann, anfreunden und sogar lieben kann.

In der 6. Dynamik dehnt der Mensch seine Liebe und Fürsorge auf die unbelebte Welt aus: Auf Materie, Energie, Raum und Zeit. Er baut sich ein Haus, erschafft seine Umgebung und sorgt sich um den Umweltschutz: Reinhaltung von Wasser, Luft und Boden. Denn alle Dynamiken sind dem Menschen Symbionten (Symbiont [der; griechisch], ein Lebewesen, das mit anderen in Symbiose lebt. Symbiose [die; griechisch], enge Form von Vergesellschaftung zwischen zwei Organismen-Arten, die für beide Partner (Symbionten) nützlich und notwendig ist und zu einem gesetzmäßigen dauernden Zusammenleben (Lebensgemeinschaft) führt.) Der biologische Begriff der Symbiose wird in der Tier und Pflanzenwelt sehr eng verstanden, doch der Mensch kann aufgrund seiner Geisteskraft erkennen, dass die Welt für ihn ein symbiontisches Ganzes ist, dass jedes Ding (ob Mensch, Tier, Pflanze oder unbelebt) zu seinem Leben beiträgt. Und daher setzt sich der Mensch auch dafür ein, dass alles überleben kann. In der Serie Raumschiff Enterprise wird unser Vorstellungsvermögen strapaziert um immer ungewöhnlichere Dynamiken zu finden, für deren Schutz sich die Mannschaft einsetzt, statt „den Feind“, wie diese Dynamik sich beim ersten Aufeinandertreffen präsentiert, einfach zu zerstören.

So kommen wir zur 7. Dynamik des Menschen: Denn auch Geister und die Geisteswelt gehört zum Dasein. Der Mensch kümmert sich um Kultur und Kunst und Feingeistiges und manche widmen dem ihr ganzes Leben.

Schließlich zum Schluß bleibt für die 8. Dynamik noch die Unendlichkeit oder „Das Ganze“ oder Gott. Es gibt Menschen, die gehen ins Kloster oder werden Priester, verleugnen andere Dynamiken, nur um sich voll und ganz dieser 8. Dynamik zu widmen.

Das menschliche Verhalten wird verständlicher, wenn wir uns vor Augen halten, dass einzelne Menschen im unterschiedlichen Maße die eine oder andere Dynamik für ihr Handeln zum Maßstab machen und dafür andere Dynamiken vernachlässigen. Aber es gibt wohl keinen Menschen, dessen Handeln nicht entlang der einen oder anderen Dynamik orientiert ist und somit verstehbar wird. Mandeville dagegen versucht uns weiß zu machen, dass jeder Mensch ausschließlich 1. Dynamisch motiviert ist. Er schließt von sich auf andere, das ist sein großer Fehler. Er gehört zu den wenigen Geisteskranken, die nur noch die erste Dynamik wahrnehmen können und gegen alle anderen Dynamiken kämpfen. Nicht nur gegen die Dynamiken 2 bis 8, sondern sich auch im Überlebenskampf gegen alle anderen Individuen sehen. Das ist Psychose.

Diese „Einer-gegen-alle“-Philosophie ist das Strickmuster einer sterbenden Zivilisation. Sie ist der Krebs, der Zivilisation zersetzt. Das Geistige Strickmuster für „One-Night-Stands“ und Kleinstfamilien, wo nicht einmal mehr Vater und Mutter zusammen leben, geschweige denn, dass sich mehrere Generationen in ihren Bedürfnissen ergänzen, wie es früher selbstverständlich war. Mandeville lebte im 17. Jahrhundert, als die Menschen noch in Großfamilien, in Gemeinden und Nationen zusammen lebten und so erstarkten. Er war der Vorbote für die Zersetzung des Gemeinsinns. Die heutige (Un-)Gesellschaft ist sein Produkt. Das gibt dieser Schrift seine Aktualität. Sie wird noch heute an den Universitäten „diskutiert“, nicht zuletzt, um immer neue Generationen von zynischen Akademikern hervorzubringen, die ihren Geist und ihre Denkfähigkeit nicht zum Nutzen der Mitmenschen einsetzen, sondern für rein „egoistische Motive“ und damit in Wirklichkeit missbrauchbar für Herrschaftszwecke einer „kleinen radikalen Minderheit“ (nationale und globale Oligarchie), die sich die Welt und die Menschheit untertan macht und schamlos ausbeutet.

Soweit zur Vorrede, aber lassen wir den Herrn Doktor doch selbst einmal zu Worte kommen:


Der murrende Bienenstock oder Wie Schurken redlich wurden.[4]

Private Laster - öffentliche Vorteile

von Bernard de Mandeville


Ein großer Stock, an Bienen reich,

Die üppig lebten, doch zugleich

Gesetzestreu und wehrhaft waren,

Auch schwärmten früh in allen Jahren,

Galt als der Hort unzweifelhaft

Von Industrie[5] und Wissenschaft.

Mehr Freiheit gab's in keinem Staat

Und weniger Zwänge und Diktat;

Nicht Sklaven einer Tyrannei

Noch wilder Demokraterei

Warn sie; von Königen[6]wohl gelenkt,

Da das Gesetz[7] die Macht beschränkt'.


Wie Menschen lebt' dies Völkchen nun

Und tat im kleinen, was wir tun:

Was je in Städten nötig war,

Was Schwert geziemt und auch Talar.

Nur warn sie winzig; ihr Geschick

Blieb drum verborgen unserm Blick;

Doch hatten sie Äquivalente

Für alle Menscheninstrumente[8]:

Maschinen, Schiffe, Schlösser, Gärten,

Geschäfte, Waffen und Experten.

Und da wir ihr Idiom[9] nicht kennen,

Wolln wir die nach den unsern nennen.


So warn zwar Würfel nicht bekannt,

Doch herrschten Könige im Land,

Die Wachmannschaften unterhielten,

Und daraus folgt, daß diese spielten;

Man wüßte denn ein Regiment

Soldaten, das das Spiel nicht kennt.


Der Bienen Zahl war riesig; sie

Bewirkte, daß der Stock gedieh.[10]

Millionen waren dienstbereit

Zu stillen Lust und Eitelkeit;

Millionen brauchten ihre Stärke,

Um zu zerstörn der erstern Werke.[11]

Die halbe Welt versorgt' die Meute;

Arbeit gab's mehr als Arbeitsleute[12].

Wer reich war, schonte seine Kräfte

Und wurde reicher durch Geschäfte;

Verdammt zur Sense und zum Spaten

Und Mühsal waren, die nichts hatten:

Elende Kärrner[13], die halbtot

Sich schufteten ums täglich Brot;

[A][14] Indes von Handwerk sich ernährt

Und Kunst, die keine Schule lehrt,

Und die nicht Geld noch Referenz

Benötigt[15], nur Impertinenz[16],

Manch arbeitsscheuer Wicht, der klug

Profit aus fremder Arbeit schlug,

Als Kuppler, Spieler, Parasit,

Quacksalber, Dieb, kurz, als Bandit[17]

Arglose Nachbarn listig narrte

Und sich viel Mühe[18] so ersparte.

[B] Die hieß man Schurken, nicht als solche

Benannt warn die seriösen Strolche:

In jedem Amt war Mauschelei

Und kein Beruf von Arglist frei.[19]


Die Advokaten[20], die sich halten

Durch Fehdenschürn und Fällespalten,

Anfochten sämtliche Kataster,

Denn Grundstückschwindel brachte Zaster;

Als wär gesetzlos der, der nicht

Sein Gut erstritten vor Gericht.

Prozesse wurden mit Bedacht

Verschleppt, daß man ja Reibach macht.

Galt's Schuften[21] zu ersparn die Strafen,

Durchforschten sie die Paragraphen,

Wie Diebe Häuser observieren,

Wo sich ein Einbruch läßt riskieren.[22]


Für die Doktorn hat Ruhm und Geld

Mehr als der Kranken Wohl gezählt,

Und statt die Regeln ihrer Kunst

Studierten viele (Lob und Gunst

Von Apothekern, weisen Frauen

Zu hörn und Priestern, all den Schlauen,

Die an Geburt und Tod verdienen)

Gleichmut und ernste Denkermienen,

Item[23] den Tratsch und Klatsch der Sippe

Und Tantchens Rezeptur bei Grippe

Stets höflich lächelnd zu ertragen

Und allen Schmeichelhaftes sagen

Und, schwerstes Los, gefaßt zu leiden

Der Krankenschwestern Dreistigkeiten.[24]


Viel Priester gab es, Zeus zu loben

Und Segen zu erflehn von oben;

Ein paar davon gelehrte Männer,

Das Gros nur eifernde Nichtskönner;

Doch konnten alle jederzeit

Kaschieren Gier, Geiz, Eitelkeit;[25]

Bekannt wie Seeleute für Rum,

Für Kohl die Schneider[26], warn sie drum.


Manch dürrer Pfaff, des Rock geflickt,

Um Brot Gebete aufwärts schickt'

Und volle Speicher sich versprach;

Bekam doch nichts als Brot hernach.

Doch macht' der frommen Knechte Not

Wohl wett das frische Wangenrot

Der faulen Herrn, die unverdrossen,

Was ersteren gebührt', genossen.


[C] Soldaten zwang ihr Stand zu morden.

Die's überlebten, kriegten Orden;

Wer Fersengeld beim Metzeln gab,

Dem schoß man leicht die Glieder ab.

Manch Feldherr macht' die Feinde hin,

Und mancher ließ für Geld sie ziehn.

Manch Heißsporn wollt stets vorne sein,

Verlor den Arm hier, dort das Bein

Und war als Invalid zuletzt

Auf halben Sold herabgesetzt.

Dafür zog mancher nie ins Feld

Und blieb daheim für doppelt Geld.


Den Königen diente man - nur wie!

Ihre Minister täuschten sie:

Die Krone, der er Untertan,

Bestahl so mancher Ehrenmann.

Der Lohn war karg, man schwelgte doch

Und rühmte sich dann redlich noch.

Sie beugten Recht, um zu verdienen,

Was Akzidenzien[27] hieß bei ihnen,

Und riefen, war durchschaut die Tour:

»Das sind Emolumente[28] nur!« 

Und alle schwiegen vor sich hin,

Befragt' man sie nach dem Gewinn,

[D] Denn jedermann kassierte mehr,

Nicht als verdient, mein ich, als er

Gestand den andern, die bezahlten,

[E] Wie Spieler gern für sich behalten,

Warn sie auch fair, was sie bekommen

Von denen, die sie ausgenommen.


Sie kannten Schliche ohne Maßen!

Das Pulver selbst, das auf den Straßen

Man feilbot als ein Düngemittel,

Fand mancher Kunde zu 'nem Drittel

Versetzt mit Stein und Mörtelstaub,

Und für Beschwerden warn sie taub.

Doch können Flegel sich beschweren,

Die Salz zu Butter frech erklären?


Justitia[29] selbst, als fair bekannt

Und blind, konnt tasten mit der Hand;

Die Linke, die die Waage hielt,

Ließ los, sooft sie Gold gefühlt.

Zwar unparteiisch tat die Gute,

Ging es um Galgen oder Rute,

Gab acht, daß peinlich regulär

Mord und Gewalt zu ahnden wär.

Manch Schwindler hing auch, wie's so geht,

Zuletzt am Strick, den er gedreht.

Indes ihr Schwert, man ahnt es, ach,

Hielt arme Teufel nur in Schach,

Die pure Not zu Gaunern machte

Und schließlich an den Galgen brachte.[30]

Für Bagatelln gab's schwerste Strafen,

So konnt der Reiche ruhig schlafen.


In jedem[31] Teile sündig zwar,

Ein Paradies das Ganze war;

Im Krieg gefürchtet, sonst begehrt,

Von aller Welt gerühmt, geehrt,

Verschwenderisch mit Gut und Leben:


Der Bienenvölker Zierde eben.

Das Heil des Staats war zweifellos:

Geballter Frevel[32] macht' ihn groß.

[F] Die Tugend sah der Politik

Bald ab manch ausgepichten[33] Trick,

Schloß Freundschaft mit dem Laster gar,

Was dann bewirkte, daß fürwahr

[G] Der größte Schurke selbst zum Schluß

Doch dem Gemeinwohl dienen muß.[34]


Staatskunst hielt den Komplex in Gang,

Warn auch die Teile sämtlich[35] krank:

Wie Harmonie in der Musik

Die Patzer zudeckt mit Geschick[36],

[H] So stritten, wie zum Trotz, vereint

Parteien, die sich spinnefeind.

Es diente selbst die Mäßigung

Der Völlerei noch und dem Trunk.


[I] Das Laster Geiz, die Schmach, die Pein,

Des Bösen Quell, mußt Sklave sein[37]

[K] Der noblen Sünde, der Verschwendung,

[L] Indem des Luxus Prachtaufwendung

Millionen Armen Arbeit schuf[38],

[M] Desgleichen Stolz, trotz üblem Ruf.

[N] Die Eitelkeit selbst und der Neid

Warn Diener der Geschäftigkeit;

Ihr Hang zur Abwechslung indessen

Bei Kleidern, Mobiliar und Essen

War töricht, und doch trieb er wie

Ein Schwungrad an die Industrie.

Auch das Gesetzwerk unterlag,

Ganz wie die Tracht, dem Zeitgeschmack.

So galt, was sich zunächst geschickt,

Ein halb Jahr später als Delikt[39];

Durch stetes Modeln an den Rechten

Verbessert' man auch manche schlechten:

Was Klugheit nicht vermocht zur Zeit,

Vermochte Unbeständigkeit.


So nährte Laster den Verstand,

Der sich mit Fleiß und Zeit verband,

Und schuf des Lebens Überfluß,

[O] Komfort, Vergnügen und Genuß,

[P] So reich, daß heut die Armen eben

Viel besser als einst Reiche leben.[40]

Nichts fehlt, wonach sich lohnt zu streben.


Glück ist auf Erden eitel. Lust

Hat Grenzen, die du kennen mußt;

Vollkommenheit in diesem Leben

Hat uns der Himmel nicht gegeben.

Zufrieden ist mit seinem Staat,

Wer das einmal begriffen hat.

Doch diese Torn verfluchten gleich,

Schlug mal was fehl, das ganze Reich

Samt Kabinett, Armee und Flotte.

»Tod dem Betrug!« schrie dann die Rotte:

Was man tagtäglich selbst getan,

Bei andern prangert man es an.[41]


Ein Kerl mit Riesenkapital,

Das Fürsten er und Bettlern stahl,

Rief: »Dieses Land muß untergehn

Bei soviel Falsch!« Was glaubt ihr, wen

Der Tugendbold beim Wickel nahm?

'nen Täschner[42], der für Zickel[43] Lamm

verkauft'.


Nun schrie beim kleinsten Streich,

Den sie geführt, die Bande gleich,

Bei jedem Rechtsbruch, weit zu hören:

»O Götter! Wenn wir ehrlich wären!« 

Merkur gefiel die Infamie,

Und andre nannten's Idiotie,

Zu schelten, was man liebt.

Doch Zorn Ergriff den Zeus.[44]

Er hat geschworn, Lug und Betrug aus diesem Staat

Zu bannen, was er schleunigst tat.

Sogleich warn sie von Falsch befreit,

Und in ihr Herz zog Ehrbarkeit;

Nun sahn sie, welche Missetaten

Sie all die Zeit begangen hatten.

Vor Reue stumm konnt man sie finden,

Errötend über ihre Sünden:

Wie Kinder, wolln sie ein Vergehen

Verschleiern, dieses eingestehen

Durch Röte, wenn sie meinen, man

Säh ihnen, was sie denken, an.


O Götter! Mächtig war der Schock,

Der Umschwung groß im Bienenstock!

Der Fleischpreis fiel zur selben Stund

Um einen Penny auf das Pfund.

Die Heuchlermasken warn bei allen[45],

Ob Staatsmann oder Clown, gefallen.

Die man gekannt in fremden Mienen,

Im eignen Antlitz fremd erschienen.

Auf dem Gericht zog Stille ein:

Die Schuldner zahlten von allein

Selbst, was die Gläubiger schon vergaßen;

Wer blank war, kriegt' die Schuld erlassen.

Wer unrecht hatte, hielt den Mund

Und prozessiert' nicht ohne Grund;

Worauf, da in solch biedrem Staat

Kein Anwalt mehr zu beißen hat,

Dieselben, bis auf die betuchten,

Samt Tintenfaß das Weite suchten.


Justitia hängt' noch ein paar auf

Und räumte alle Kerker; drauf

Zog sie mit ihrem Hofstaat ab,

Weil's nichts für sie zu tun mehr gab.

Die Schmiede durften vorn marschieren

Mit Gittern, Ketten, Eisentüren;[46]

Die Kerkermeister folgten dann.

Der Göttin stolzgeschwellt voran –

Ihr treu wie stets und bester Dinge –

Schritt Rechtsvollstrecker Durchlaucht Schlinge;

Nicht mit dem sinnbildhaften Schwert,

Mit Strick und Beil, wie sich's gehört.

Die Schöne mit der Augenbinde,

Justitia, kam geschwebt im Winde

Auf einer Wolke. Als Eskorte

Warn um sie Büttel jeder Sorte,

Gerichtsvollzieher, Schergen eben,

Die gut von andrer Tränen leben.


Und wie die Medizin floriert'!

Wer krank war, wurde jetzt kuriert

Von Ärzten mit viel Sachverstand,

Die's reichlich gab im ganzen Land.

Statt bei Disputen zu verweilen,

Warn Kranke sie bemüht zu heilen;

Statt Heilkräutern aus fremdem Land

Ward, was im eignen wächst, verwandt,

Da Zeus kein Volk mit Leiden straft,

Für die er dort nicht Heilung schafft.


Kein Priester ließ sich faul vertreten

Von den Vikaren mehr beim Beten.

Die Götter pries, von Sünden frei,

Mit Opfern man und Litanei.

Es traten ab die Dilettanten,

Die sich von selbst entbehrlich fanden,

Denn für so viele war nicht Raum:

(Ein braves Volk braucht Pfaffen kaum.)

Ein paar nur blieben, treu ergeben

Dem Hohepriester. Diesem eben

Gehorcht' der Rest. Von Politik

Hielt sich der Geistliche zurück.

Er jagt' den Bettler nicht davon,

Drückt' nicht des armen Schluckers Lohn,

Teilt' mit dem Hungrigen sein Brot,

Half Tagelöhnern aus der Not,

Dem Wandersmann er Obdach bot.


Auch beim Ministerrat der Bienen

Und allen, die dem König dienen,

Vollzog der Wandel sich: [Q] alsbald

Lebt' man bescheiden vom Gehalt.

Was früher Akzidenzien hieß

(Wenn ein Beamter betteln ließ

Zehnmal 'nen Armen um sein Geld

Und 's ihm am Schluß doch vorenthält

Und preßt' 'ne Krone ihm zuletzt

Gebühr noch ab), hieß Schwindel jetzt.

Wo jedes Amt zuvor von dreien Besetzt,

die sich bei Schurkereien

Bewachten und trotz Kumpanei

Einander frech bestahln dabei,

Wirkt' nun ein einzelner allein.

So spart man tausend Leute ein.


[R] Auch lebt' kein Mann von Ehre mehr

Vom Schuldenmachen wie vorher.

Livreen[47] en masse im Leihhaus lagen.

Für 'n Pappenstiel gab Pferd und Wagen

Man her, verkauft' um ein paar Gulden

Sein Landgut gar, tilgt' so die Schulden.


Betrug und Prunksucht warn verbannt.

Kein Heer stand mehr in fremdem Land.

Die Bienen, nun bekehrt, verlachten

Weltruhm und Glanz, erlangt in Schlachten.

Doch tapfer focht die brave Schar,

Warn Recht und Freiheit in Gefahr.


Seht, wie im Stock sich heute findet

Mit Handel Redlichkeit verbündet.

Der Prunk ist hin, geschrumpft der Staat,

Der sich nun ganz gewandelt hat.

Es gingen alle, die seit Jahren

Im Geldausgeben Meister waren.

Auch jene, deren Unterhalt

Von erstem abhing, gingen bald;

Sie fanden nirgends mehr zu leben,

Denn alle Ämter warn vergeben.[48]


Der Preis von Land und Häusern fiel.

Paläste, die erbaut aus Spiel-

Gewinn, wie Thebens Mauern, waren

Zur Miete frei. Die muntern Laren[49]

Wollten im Feuer lieber sterben,

Als anzusehen, wie die derben

Inschriften auf den Türen höhnen

Den ausgelöschten kostbar-schönen.

Kein Bauwerk sieht man mehr entstehen:

Der Handwerksmann muß müßig gehen;[50]

[S] Des Malers Kunst rühmt man nicht mehr

Noch die von Steinmetz und Graveur.


Die, die noch übrig waren, streben,

Maßvoll und schlicht fortan zu leben.

Sie zahlten alte Zechen gern

Und blieben dann den Kneipen fern.

Kein Wirtshausliebchen ging nun mehr

In Samt und Seide dreist einher;

Auch konnt man nirgends Geld mehr leihn

Für Wachteln und Burgunderwein.

Mitsamt Mätresse ist verschwunden

Der Geck, der ausgab in zwei Stunden,

Was 'ne Schwadron braucht im Quartal,

Und Pfauen speist' als Weihnachtsmahl.[51]


Die eitle Chloe, deren Gatte

[T] Für sie den Staat bestohlen hatte,

Verkauft jetzt Schränke und Kommoden,

Gerafft auf beider Indien Boden,

Kürzt den Etat an allen Enden

Und trägt ein Jahr die groben Hemden.

Vorbei ist's mit dem steten Ändern:

Man bleibt bei Moden und Gewändern.

Fort sind die Weber von Brokaten

Und die, die sie beliefert hatten.

An Glück und Wohlstand mangelt's nicht:

Preiswert ist alles, wenn auch schlicht.

Natur, befreit von Gärtnerzucht,

Läßt pünktlich reifen jede Frucht.

Nur Delikates fehlt alsbald,

Weil keiner die Erzeugung zahlt.[52]


Da's Stolz und Prunksucht nicht mehr gab,

Sahn sie auch von der Seefahrt ab.

Der Handel fiel in Agonie,

Mit ihm ein Teil der Industrie.

Kunst und Gewerbe siechten hin:

[V] Zufriedenheit ließ sie — Ruin

Des Strebens — eigne Schätze ehren

Und nichts von außerhalb begehren.


Geschrumpft auf ein Prozent der Bienen

Von einst ist nun der Stock.[53] Doch ihnen

Fällt's schwer, Erobrer zu verjagen,

Wiewohl sie sich recht tapfer schlagen

Beim Rückzug, und es heißt bei allen:

Die Stellung halten oder fallen.

Das Söldnertum war abgeschafft;

Sie kämpften kühn aus eigner Kraft.

Für Mut und Lauterkeit im Krieg

Belohnte schließlich sie der Sieg.[54]


Nur mußten Tausende ihr Leben

Für den Triumph der Freiheit geben.

Gestählt durch Müh und Arbeit, galt

Behaglichkeit als Laster bald

Dem Schwarm. Sich weiter zu bescheiden

Und allen Luxus ganz zu meiden,

Nahm er im hohlen Baum Quartier,

Lebt sittsam und zufrieden hier.


Die Moral


Klagt nicht, denn daß ein Staat, der groß,

[X] Auch redlich wird, wünscht Torheit bloß.

[Y] Daß man die Wonnen dieser Welt

Genießt und erntet Ruhm im Feld

Und lebt in Wohlstand sündenfrei,

Ist Utopie und Träumerei.

Falsch, Dünkel, Pomp muß existieren,

Da wir von ihnen profitieren:

Der Hunger ist ein Fluch, ein Grauen,

Doch wer will ohne ihn verdauen?[55]

Stammt nicht der Wein, der unser Leben

Erfrischt, aus dürren, krummen Reben?

Stutzt man den Wuchs nicht rigoros,

Verholzt der Weinstock, wuchert bloß,

Der edle Früchte uns bereitet,

Wenn man ihn bindet und beschneidet.

So kann auch Laster nützlich sein,

Schränkt das Gesetz es weise ein.

Ja, will das Volk nach Größe streben,

Muß es im Staat auch Sünde geben,

Wie's Hunger braucht zum Überleben.

Allein von Tugend kann auf Erden

Kein Staat groß, reich und mächtig werden.

Wollt ihr die Goldnen Zeiten wieder?

Da aß man Eicheln und war bieder.


Fußnoten

  1. Ich wurde 1955 in Düsseldorf geboren und studierte an der Fachhochschule Wedel/Schleswig Holstein Physik und Informationstechnik. Die auch heute noch vorzufindende akademische Verwendung der Bienenfabel zur Rechtfertigung von Schmarotzertum und Unterdrückung lies mir keine Ruhe, ich nahm mir einfach mal die Zeit, hierzu eine radikale Kritik zu schreiben. Weniger um die sich rechtfertigenden Schmarotzer und Angsthändler zu bekehren (es ist mir klar, dass dazu andere Mittel erforderlich sind), sondern eher um Mitglieder der produzierende Bevölkerungsmehrheit aus der Verwirrung zu helfen, in die die Bienenfabel sie offensichtlich manchmal stößt.
  2. In einem wissenschaftlichen Text über Psychology und Wirtschaft wird nach kurzer Skizze der Bienenfabel die aktuell herrschende Wirtschaftsmoral skizziert: Der Utilitarismus — Als echte Wirtschaftspsychologie kann man den Utilitarismus betrachten, der von Jeremy Bentham (1789/1834) systematisiert und von John Stuart Mill popularisiert wurde. Bentham formulierte das Prinzip der Nützlichkeit (siehe Otfried Höffe 1975): • "Die Natur hat die Menschheit unter die Herrschaft zweier souveräner Gebieter - Leid und Freude - gestellt. Es ist an ihnen allein aufzuzeigen, was wir tun sollen, wie auch zu bestimmen, was wir tun werden. Sowohl der Massstab für Richtig und Falsch, als auch die Kette der Ursachen und Wirkungen sind an ihrem Thron festgemacht." • "Unter dem Prinzip der Nützlichkeit ist jenes Prinzip zu verstehen, das schlechthin jede Handlung in dem Mass billigt oder missbilligt, wie ihr die Tendenz innezuwohnen scheint, das Glück der Gruppe, deren Interesse in Frage steht, zu vermehren oder zu vermindern." • "Unter Nützlichkeit ist jene Eigenschaft an einem Objekt zu verstehen, durch die es dazu neigt, Gewinn, Vorteil, Freude, Gutes oder Glück hervorzubringen oder die Gruppe, deren Interesse erwogen wird, vor Unheil, Leid, Bösem oder Unglück zu bewahren." • "'Das Interesse der Gemeinschaft' ist einer der allgemeinsten Ausdrücke, die in den Redeweisen der Moral vorkommen können; kein Wunder, dass sein Sinn oft verloren geht." • "Es hat keinen Sinn von Interesse der Gemeinschaft zu sprechen, ohne zu wissen, was das Interesse des Individuums ist." Dieses Interesse des Individuum hat dann J. St. Mill (1848) auf das platte hedonistische Prinzip reduziert: "Jeder Mensch strebt, mit einem Minimum an Arbeit und Opfern, ein Maximum von Gütern, von Glück und Reichtum zu erreichen."
  3. oho! er schreibt in der Fabel Interessantes über seine Profession.
  4. Meine weiteren Kritiken beschränken sich auf diese Fußnoten, der folgende Haupttext blieb unverändert und ist vollständig abgedruckt, da das Copyright dieses alten Textes natürlich heute abgelaufen ist. Ein Problem gibt es hier, die Doppeldeutigkeit des engl. industry angemessen zu übersetzen: Es heißt nämlich neben Industrie auch Eifer und Bestreben. Nun, wenn der Mensch auch von einer Bienenkönigin spricht, so handelt es sich doch nur um eine Gebärmaschine, ohne jede Befehlsgewalt. Auffällig nur, dass es pro Stock nur eine davon geben kann. Allein aus diesem Phänomen wurde der Begriff der Königin gewählt. Aber sie ist nicht weniger fleißig, wie die anderen Bienen und wohl kaum eine Rechtfertigung für eine oligarchische Beherrschung der Menschheit durch einige wenige Aristokraten – oder wie es seit den Gefahren einer französischen Revolution für klüger gehalten wird: Einer Herrschaft durch graue Eminenzen (internationale Banker), Hintermänner hinter der scheinbaren „demokratisch gewählten Regierung einer Republik“. Hier wird eine Analogie suggeriert, zwischen dem Naturgesetz, das den Bienenstock lenkt und dem vom Menschen geschaffene Recht, das die menschliche Gesellschaft lenkt. Doch gibt es Gesetze, die das Naturgesetz zu brechen versuchen und damit die Menschheit zu Fall bringen: Das Recht des Bankers auf Zins und Zinseszins und damit eine Unterwerfung aller Nationen unter sein Diktat.
  5. Ein Problem gibt es hier, die Doppeldeutigkeit des engl. industry angemessen zu übersetzen: Es heißt nämlich neben Industrie auch Eifer und Bestreben.
  6. Nun, wenn der Mensch auch von einer Bienenkönigin spricht, so handelt es sich doch nur um eine Gebärmaschine, ohne jede Befehlsgewalt. Auffällig nur, dass es pro Stock nur eine davon geben kann. Allein aus diesem Phänomen wurde der Begriff der Königin gewählt. Aber sie ist nicht weniger fleißig, wie die anderen Bienen und wohl kaum eine Rechtfertigung für eine oligarchische Beherrschung der Menschheit durch einige wenige Aristokraten – oder wie es seit den Gefahren einer französischen Revolution für klüger gehalten wird: Einer Herrschaft durch graue Eminenzen (internationale Banker), Hintermänner hinter der scheinbaren „demokratisch gewählten Regierung einer Republik“.
  7. Hier wird eine Analogie suggeriert, zwischen dem Naturgesetz, das den Bienenstock lenkt und dem vom Menschen geschaffene Recht, das die menschliche Gesellschaft lenkt. Doch gibt es Gesetze, die das Naturgesetz zu brechen versuchen und damit die Menschheit zu Fall bringen: Das Recht des Bankers auf Zins und Zinseszins und damit eine Unterwerfung aller Nationen unter sein Diktat.
  8. Es gibt eben kein Äquivalent für das besondere „Werkzeug“ des Menschen, das den Menschen vom Tier unterscheidet: Seine Vernunft. Doch angesichts einer bergab gehenden Kultur, die diese Vernunft nicht mehr kultiviert, sondern den Menschen gestattet, sich wie Tiere zu verhalten, muss man sich nicht wundern, wenn diese Vernunft nur noch auf der Vermisstenliste auftaucht. Und es gibt exklusiv unter Menschen auch dies Gegenstück zur Vernunft: Die Unvernunft. Und genau daran krankt unsere Welt.
  9. Idiom, veraltet: die Landessprache.
  10. Hier vertritt Mandeville ungewöhnlicherweise eine richtige Aussage: Je größer eine Gemeinschaft ist, desto überlebensfähiger ist sie im Grunde auch. Tatsächlich gab es auch damals schon die unterdrückerischen Ideen des Thomas Robert Malthus (britischer Nationalökonom, * 17. 2. 1766, † 23. 12. 1834); Geistlicher; vertrat eine pessimistische Bevölkerungstheorie: Die Bevölkerung vermehre sich in geometrischer Progression (1, 2, 4, 8 ...), die Nahrungsmittel dagegen nur in arithmetischer Progression (1, 2, 3, 4 ...; Malthus'sches Gesetz); das Elend der Arbeiter sei auf die Übervölkerung zurückzuführen. Malthus forderte spätes Heiraten und Geburteneinschränkung durch Enthaltsamkeit; spätere Anhänger (Neomalthusianismus) traten für Schwangerschaftsverhütung, Abtreibung und sogar Zwangssterilisation ein. Heute sollte der Malthusianismus eigentlich durch die geschichtliche Entwicklung wiederlegt worden sein. Die Prophezeiungen des Club of Rom trafen nicht ein. Doch dient der Neomalthusianismus zur Rechtfertigung für globale Strategien, die Menschheit zu dezimieren. Aids, der Hunger in der Welt und die Kriege in Afrika werden kultiviert, um die Anzahl der Menschheit zu dezimieren, um sie regierbarer zu machen. Die wenigen Herrschenden haben Angst vor so viel Menschen.
  11. Dieser Satz ist nicht nur wegen seiner grammatikalischen Rückbezüglichkeiten so schwer zu verstehen, sondern auch, weil er falsche Daten beinhaltet: Grammatisch entworren lautet er: „[Die] Millionen brauchten die „Stärke“ von der Lust und Eitelkeit [der Oberschicht], um die Werke der [arbeitenden] Millionen zu zerstören.“ Das beruht auf den historischen Hintergrund der Bienenfabel, denn im 18. Jahrhundert gab es für die Arbeiterklasse ausschließlich Armut, die Industrieprodukte der Arbeiterklasse wurden von der Ober- und Mittelschicht allein konsumiert. Dass die Nachfrage vieler Waren allein von der Oberschicht kommt, war für Mandeville das schlagende Argument, dass die Arbeiterschaft ihre Arbeitsplätze der Existenz der Oberschicht verdanke. Sie sollten nicht so undankbar sein und der Oberschicht ihre Völlerei und Lustbarkeit neiden. Tatsächlich hat die heutige Entwicklung der Wirtschaft dieses Hauptargument in Mandevilles Bienenfabel widerlegt: Die abhängig beschäftigten können selbst ganz gut konsumieren und Nachfrage schaffen und brauchen dafür bestimmt keine separate Oberschicht. Es gibt bestimmt eine Notwendigkeit von Unternehmern, Funktionären und Akademikern. Aber die liegt nicht in der „hohen Nachfrage“, die diese priviligierten Schichten des Mittelstandes schaffen, sondern in wirklichen Beiträgen zur Produktivität des Volkes. Ganz im Gegensatz zu den weiteren zynischen Ausführungen in dieser Fabel.
  12. Diese Zeile erinnert daran, dass in den Anfängen der Industriegesellschaft ein Mangel an Arbeitskräften existierte. Nicht wie heute mit hoher Arbeitslosigkeit. Diese ist eine Folge der Unterdrückung der wirtschaftlichen Tätigkeit, wie sie durch die Zinsknechtschaft der internationalen Banker betrieben wird.
  13. Kärrner: Arbeitstier, Fuhrmann. (Duden-Synonym Wörterbuch).
  14. Diese Buchstaben in eckigen Klammern bezeichnen Fußnoten, die Mandeville in einer späteren Herausgabe seines Gedichtes gemacht hat. Durch diese Fußnoten entstand aus der Fabel ein stattliches Buch. Die Fußnoten habe ich hier nicht wiedergegeben, doch durchaus selbst studiert und in meinen Kommentaren berücksichtigt.
  15. Das „Benötigt“ gehört noch in die vorige Zeile. Das Komma danach trennt den nächsten Satz. Um den Reim hinzubekommen, sind diese Tricks erforderlich, einen Satz so auf Zeilen zu verteilen. Es ist schon erstaunlich, dass der Übersetzer es geschafft hat, diese Fabel derart sich reimend ins Deutsche zu übertragen.
  16. Impertinenz <lat.-mlat.> die; -, -en: 1. (ohne Plural) dreiste Ungehörigkeit, Frechheit, Unverschämtheit. 2. impertinente Äußerung, Handlung. Duden, Fremdwörterlexikon
  17. Ich halte es für völlig richtig, den Verbrecher genau so zu definieren: „Nehmen ohne zu geben“. Profitieren ohne produktiv zu arbeiten. Eine Definition, die von unserer Gesellschaft nicht angenommen werden wird, solange sie sich von der Oligarchie beherrschen lässt, die genau das als Ideal propagiert: Sie lassen „ihr Geld für sich arbeiten“. Doch Geld kann gar nicht arbeiten. Nur Menschen haben diese Fähigkeit. Diese Finanzmagnaten lassen also andere für sich arbeiten. Ich teile jedoch nicht Mandevilles Ansicht, dass diese Eigenschaft dem ganzen Mittelstand eigen sei. Es mag auch da Faulenzer geben, auch ganz legale Kriminelle, die es hinbekommen, durch Lug und Trug auszubeuten. Aber die große Mehrheit des Mittelstandes sind hart arbeitende Leute, deren Funktion oder Dienstleistung für den Erfolg der Gemeinschaft unabdingbar ist. Ich werde diese Differenzierung noch anhand der Beispiele der Fabel erläutern.
  18. Die „Mühe“ ist kein Maßstab für Produktivität. Mancher Verbrecher wendet eine Menge Mühe und kriminelle Energie auf, um „zu nehmen ohne zu geben“. Deren Leistung ist kein Produkt, das die Gemeinschaft gebrauchen könnte. Manche Verbrecher könnten mit dem gleichen Fleiß und Arbeitsbereitschaft genauso gut eine ehrliche Arbeit nachgehen. Aber sie sind nur motiviert von dem „Nehmen ohne zu geben.“ – Umgekehrt scheinen manche Akademiker in ihrem Beruf keine Mühe aufzuwenden. Sie machen das, was ihnen sowieso Spaß macht. Sie bräuchten keine Lohnmotivation, würden das gleiche auch unentgeltlich machen. Doch das macht sie nicht zum Schmarotzer: Ihr Werke (Erfindungen, Kunstwerke u.ä.) sind durchaus wertvolle und austauschbare Produkte, die die Gesellschaft bereichern. Mancher körperlich Arbeitende, der sich täglich zwingen muß, zur Arbeit zu gehen, betrachtet die „mühelose“ Beschäftigung seiner intellektuell tätigen Mitmenschen als unverständlichen, überflüssigen „Spielkram“, der es nicht wert ist, Arbeit genannt zu werden. Er verkennt dabei, wie viel mehr er produzieren kann, aufgrund z.B. der intellektuellen Tätigkeit der Ingenieure und Konstrukteure, die ihm machtvolle Maschinen ersannen, die seine Arbeitskraft vertausendfachte.
  19. Mandeville präsentiert uns hier eine sehr erstaunliche Einteilung der Menschheit in zwei Klassen: die ehrlichen, (aber dummen) und schuftende Arbeiterklasse einerseits und die faulen Säcke andererseits, die es irgendwie geschafft haben, sich um eine ehrliche Arbeit herumzustehlen: Dabei packt er beide Gruppierungen unter den gleichen Hut: sowohl die so benannten Ganoven (die nach dem Gesetz Kriminelle sind), als auch die „legalen Verbrecher“, womit der die gesamten Mittel- und Oberschicht meint. Man könnte den Dichter so auf den ersten Blick für einen Arbeiterfreund und Revoluzzer halten, doch tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Er entpuppt sich als ein Rechtfertiger für schlimmste Verbrechen, Ausbeutung und Unterdrückung, wie der Text noch zeigen wird. Mandeville hat nicht nur in seiner Zeit viel Kritik auf sich gezogen. Doch ein Großteil dieser Kritik kommt von diesen „ganz legalen Ganoven“, die sich von Mandeville entblößt fühlen und darüber brüskiert sind.
  20. Advokat <lat.; der Herbeigerufene> der; (landsch., sonst veraltet) [Rechts]anwalt, Rechtsbeistand. (c) Dudenverlag
  21. „Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte.“ sagt der Volksmund, doch in Wahrheit ist es noch schlimmer, gemäß dem „Gesetz der 3. Partei“: „In jedem Streit muss eine Dritte Partei vorhanden und unbekannt sein, damit ein Konflikt existiert. – Oder: Damit ein Streit eintreten kann, muss eine unbekannte Dritte Partei aktiv daran arbeiten, ihn zwischen zwei potenziellen Gegnern hervorzurufen. – Oder: Während man gewöhnlich glaubt, dass es zwei braucht, um einen Streit zu haben, muss eine Dritte Partei vorhanden sein und ihn entwickeln, damit ein tatsächlicher Konflikt eintritt.“ – Nicht wenige Rechtsanwälte arbeiten eher daran, ihre Mandanten in einen langwierigen und teuren Rechtstreit zu treiben, statt diesen mit einem geharnischten Brief an die Gegenseite zu vermeiden. Denn nur im Streit verdienen sie. Wer einen Anwalt findet, der eher Konflikte durch geeignete Kommunikationen löst, statt sie aufzuschaukeln, ist ein Glückspilz.
  22. Eine Hauptmethode von Mandeville ist die Gleichmacherei: Alle Mitglieder eines Berufsstandes sind wie die miesesten Exemplare. Nicht alle Rechtsanwälte spielen das Spiel der 3. Partei; nicht alle sind bereit, einen offensichtlichen Verbrecher herauszuhauen; nicht alle sind Egoisten und verraten die Interessen ihrer Klienten. Er bekäme nicht nur von mir Applaus, für seine satirische Beschreibung von den miesesten Elementen eines Berufsstandes, wenn er derart differenzieren würde. Aber er identifiziert den gesamten Berufsstand mit diesen degradierten Beispielen. Und das ist sein Fehler. Nachdem er dann eine Reihe von Berufen aufgezählt hat, in denen sich bevorzugt miese Charaktere konzentrieren, geht er dann noch soweit, den gesamten Mittelstand mit diesen Berufen zu identifizieren. – Geistige Gesundheit zeigt sich in der Fähigkeit, gleiches als gleich zu erkennen, ähnliches als ähnlich und verschiedenes als verschieden. Geisteskranke identifizieren darüber hinaus auch verschiedenes und ähnliches miteinander. In letzterem ist Mandeville Spezialist. Fraglich, ob er selbst ein Geisteskranker war, oder nur krankes Denken verbreiten möchte.
  23. item <lat.>: (veraltet) ebenso, desgleichen, ferner; Fremdwörter-Duden
  24. Auch hier wäre ich fast begeistert und würde seinem Sarkasmus zustimmen, wenn er nicht derart verallgemeinernd wäre. Es gibt tatsächlich Ärzte, die sich bemühen und engagieren, dem Patienten zu dienste zu sein und sein Leiden zu lindern oder gar zu heilen. Es wurden nicht alle zynisch und egoistisch. Es gibt einzelne, die das System überwanden, sich von Sachzwängen freimachten, die forschten und herausfanden, wie ein Mensch geheilt werden kann: Dr. Mattias Rath und Dr. Geert Hamer sind zwei aktuelle positive Beispiele des Berufsstandes. Wenngleich heute mehr denn im 18 Jahrhundert, die Ärzteschaft integriert wurde zum reinen Vertriebsaußenposten der Pharmaindustrie. Der Branche, die aus dem profitablen Quacksalbertum hervorgegangen ist. Betrüger die Gift als Heilmittel verkaufen und Milliarden einsetzen, um wirkliche Heilung aus dem Weg zu räumen, weil sie ihre Aktienkurse bedrohen. Franz Konz hat diesen Sachverhalt wohl dokumentiert in seinem „Großen Gesundheits-Konz“ veröffentlicht, ein sehr lesenswertes Buch was erst unterdrückt und dann verboten wurde und heute nur noch im Rahmen einer Mitgliedschaft erhältlich ist: Bund für Gesundheit, Zeitschrift „natürlich leben” und Webseite www.BfGeV.de. – Aber selbst wenn man dieser radikalen Sichtweise der Schulmedizin zustimmt, dann muß man immer noch den einzelnen Arzt als Individuum anhören, bevor man ihn zu Sippenhaft verurteilt: Er könnte zumindest noch ein wohlmeinendes Opfer von falscher Ausbildung sein, der wirklich sein Bestes gibt und einfach nur helfen will. Viele Ärzte arbeiten sich halb tot.
  25. Auch hier identifiziert der Dichter jeden Priester mit dem zynisch gewordenen. Ich kenne eine Menge hochgebildeter und feiner Menschen, die diesen Beruf ergriffen haben, weil sie darin die beste Möglichkeit sehen, sich selbst seelisch weiterzuentwickeln und anderen Menschen zu helfen. Bei keinem von denen kannte ich Gier, Geiz oder Eitelkeit. Man sollte nicht alle Menschen in einen Topf werfen.
  26. Ich habe mir den englischen Text dazu angeschaut, um diese Zeile verstehen zu können, doch das gab auch nicht mehr her, es scheint ein sprichwörtliches Verlangen nach Kohl seitens des Berufstandes der Schneider zu geben, auf den hier Bezug genommen wird. So wie Seeleute nach Rum verlangen.
  27. Ak|zi|dens <lat.> das; -, ...denzien: 1. (Plural auch: Akzidentia) das Zufällige, nicht notwendig einem Gegenstand Zukommende, unselbstständig Seiende (Philos.); (c) Fremdwörter-Duden
  28. Emolument <lat.> das; -s, -e: (veraltet) 1. Nutzen, Vorteil. 2. Nebeneinnahme. Fremdwörter-Duden
  29. Hier geht er mit den Richtern ins Gericht. Als würden alle Richter bestechlich oder parteilich sein. Es mag sein, dass ein mittelloser Mensch, der sich keinen Advokaten leisten kann, auch heute noch benachteiligt ist. Aber das kann man moralisch nicht den Richtern vorwerfen. Die meisten, die ich kennengelernt habe, tun ihr Bestes und das ist ein wertvoller, unverzichtbarer Job.
  30. Eine interessante Rechtfertigung von Verbrechen: „Nur pure Not machte ihm zum Verbrecher.“ Es gibt zu viele arme, sogar hungernde Menschen, die nicht Verbrecher wurden, die diese Ideologie zu widerlegen. Tatsächlich ist auch hier der Akademiker sein Adressat: Wenn auch die Armen in der materiellen Not zu Verbrechern werden, dann darf ich doch auch aus materiellem Kalkül (moralisches) Unrecht tun.
  31. Hier wieder die absolute Verallgemeinerung: Jedes Teil der Gesellschaft ist sündig! Und das ganze trotzdem paradiesisch. Dann kann doch an den Teilen nichts verkehrt sein. Ich schätze es eher so ein, dass etwa ein Fünftel der Menschen destruktiv tätig sind und dies kann von den übrigen 80% gerade noch aufgefangen werden, so dass wir trotzdem noch leben können. Nichts desto trotz, sollte das eine Fünftel eingedämmt werden: von gutmeinenden Rechtsanwälten, Richtern, Beamten, Ärzten, Priestern und allen anderen Berufsständen.
  32. Frevel siehe Verstoß. Duden-Synonymwörterbuch.
  33. ausgepicht siehe schlau. Duden-Synonymwörterbuch.
  34. Was für ein irrsinniger Klimmzug. Von hinten durch die Brust ins Auge. – Nur Dumme nehmen ihm das ab, oder Schlitzohren, die dieser Rechtfertigung dringend bedürfen.
  35. Ich möchte noch mal auf die Verallgemeinerung hinweisen: Teile sämtlich krank.
  36. Töne, nicht Patzer, sind die Einzelelemente der Musik, die eine Melodie bilden. So sind auch produktive Einzelmenschen die Bestandteile einer florierenden Volkswirtschaft, nicht egozentrische Verbrecher.
  37. Hier nun seine Message: Werde Sklave Deiner niedrigsten Triebe, überwinde die Tugenden!
  38. Was schafft den Armen Arbeitsplätze? Die Nachfrage seitens derjenigen, die im Luxus leben. – Die Armen selber wollen Luxus und diese Nachfrage bleibt noch ungestillt!
  39. Hier wird wieder kunstvoll die Lüge aufgebaut, dass die niederen Triebe der Upper-Class die große Nachfrage schaffen, die die Wirtschaft in Gang hält. Allein diese Betrachtungsweise wurde durch die wenigen Jahrhunderte seit der Erstveröffentlichung widerlegt, denn der heutige Konsum der arbeitenden Bevölkerung allein reicht aus, um die Wirtschaft am Leben zu halten, als Konsumenten sind die Superreichen wirklich mehr als flüssig: nämlich überflüssig.
  40. Das stimmt, dass die arbeitende Bevölkerung heute so viel besser bestellt ist. Aber das ist bestimmt nicht die Folge von Laster und Ausschweifungen einiger fauler Elemente. Es ist die Folge von hoher Produktivität und viel Fleiß und auch politischem Bewusstsein und der Bereitschaft des Volkes, sich ihre Rechte zu erkämpfen. Selbst den Superreichen sollte heute klar sein, dass ein Volk von dummgehaltenen Sklaven nicht in der Lage ist, diesen Reichtum hervorzubringen. Dazu bedarf es umfangreicher Allgemeinbildung, Selbständigkeit, Freiheit und ein Mangel an Unterdrückung, Drogen und Krieg. Doch immer wieder setzen sie auf bewährte Methoden, das Volk unter Kontrolle zu bringen, damit sie ihre Vormachtstellung nicht verlieren: Teile und Herrsche, also Kriegstreiberei (z.B. das Christentum gegen den Rest der Welt), die Menschen allgemein schwach und krank zu halten (das ist Aufgabe der Pharma- und Lebensmittelindustrie), sie dumm zu halten (Bildungsreformen, seit denen das Analphabetentum wieder ansteigt), Drogen und Alkoholmissbrauch am besten vor dem Fernseher, der Massenhypnose-Einrichtung.
  41. Tja, wir sind ja ALLE Verbrecher, offenbart Mandeville nach eingehender Innenschau. Ich sehe das anders: 80% der Menschen, egal in welcher Gesellschaftsschicht, sind ehrlich und haben gute Absichten. 20% arbeiten dagegen in destruktiven Projekten, sind bereit zu lügen, zu betrügen, sich zum Büttel für Unterdrückung zu machen. Nutznießer davon sind nur eine verschwindend kleine Anzahl von Oligarchen (Duden: Oligarch <gr.> der; jmd., der mit wenigen anderen zusammen eine Herrschaft ausübt.): Einige wenige Familienclans beherrschen mit ihrer Finanzmacht jedes Land (heute sind alle Länder überschuldet, bei privaten Bankern) und den ganzen Planeten.
  42. Täschner, Taschenmacher, Taschner (bes. südd., österr.), Feintäschner, Etuimacher, Börsenmacher, Brieftaschenmacher. (Duden)
  43. Zickel siehe Ziege. (Duden)
  44. Jetzt kommt die Wende. Denn nach der zynischen scheinbaren Kritik der IST-Situation, folgt nun eine angebliche Skizze der SOLL-Situation der Idealisten. Damit will Mandeville das angestrebte Ideal ad absurdum führen: Denn wenn alle ethisch wären, gäbe es ja keinen Bedarf mehr für die Wirtschaft und alle wären arbeitslos. Tatsächlich sind seine Beispiele jedoch wieder nur auf die überflüssigen Schmarotzer abgestellt, die darüberhinaus auch noch unzulässig verallgemeinert werden. Und in Wirklichkeit machen die bestimmt nicht die Wirtschaft aus, im Gegenteil: Sie sind kontraproduktiv und der Laden läuft nicht weil sie darin tätig sind, sondern obwohl. Aber seht einmal selbst, wie Mandeville die Utopie skizziert...
  45. Wieder die Verallgemeinerung: Alle haben Heuchlermasken und betrügen ihre Mitmenschen.
  46. So wird der ganze Berufstand der an sich produktiven Schmiede, identifiziert anhand eines ganz kleine Teils der Metallproduktion: Die Sicherheitseinrichtungen gegen Einbruch etc. Wer nachdenkt, weiß wieviel mehr Dinge ebenfalls aus Metall hergestellt werden, die auch in einer ethischen Welt benötigt werden. — Aber dieser Kunstgriff war nötig, um auch einen Beruf unter der produktiven Bevölkerung mit den unproduktiven und teilweise korrupten Angsthändlern zu positionieren. Angsthändler nenne ich diejenigen 2-3 % der Bevölkerung, die glauben, dass sie nur gutes Geld verdienen, wenn das Volk in Angst und Schrecken gehalten wird und folglich ihre Produkte verlangt: Zeitungen, Waffen, zweifelhaft Medikamente, Panic-Rooms etc...
  47. Livree <lat.-mlat.-fr.> die; -, Livreen: uniformartige Dienerkleidung. Duden
  48. Hier wieder die Grundidee: Die Creme der Gesellschaft, die überflüssig ist wie ein Kropf, wird hier bezüglich ihrere einzigen Fähigkeit - Luxuskonsum - zum unverzichtbaren Nachfrager und Wirtschaftsankurbler erkoren. Die Gesellschaft würde angeblich erheblich zusammenschrumpfen, wenn diese Leute fehlen würden. Tatsächlich würde man die fehlende Meute nur daran erkennen, dass es jetzt wirtschaftlich bergauf geht. Denn Mandevilles Argumentation ähnelt der Rechtfertigung von Vampiren: Nur weil die Vampire das Blut aus ihren Opfern saugen, produzieren diese ihr Blut. Und wie jeder weiß: ohne Blut kommt jeder um. Also sieht man leicht, wie wichtig die Vampire für das Überleben ihrer Beutetiere sind.
  49. Laren <lat.> die (Plural): altrömische Schutzgeister, bes. von Haus u. Familie. Duden.
  50. Da zur Zeit Mandevilles das arbeitende Volk noch in selbstgebauten Primitiv-Hütten hauste, konnte man sich noch nicht vorstellen, dass dermal einst, die Bauwirtschaft gut von den Aufträgen der arbeitenden Bevölkerung und Gemeinwohl-Einrichtungen leben kann und die Luxusbauten keinen nennenswerten Prozentsatz der Auftragsvolumen mehr ausmachen.
  51. Dass der heutige Umsatz der Gastwirtschaft wesentlich höher als damals geworden ist und im Wesentlichen von der arbeitenden Bevölkerung gezahlt wird, auch das übersteigt offensichtlich die Phantasie des Rechtfertigungsideologen. — Anhand dieser historischen Entwicklung kann man heute nur ahnen, in welchem Wohlstand wir in der Zukunft leben werden können, wenn die Menschheit sich endlich von den nicht arbeiten wollenden Schmarotzern der Oberschicht befreit hat: Das teuere an diesen Gestalten ist dabei nicht einmal ihr Luxus, der mitverdient werden muß — das wäre noch ohne weiteres tragbar — sondern die Unterdrückungskosten, die daraus entstehen: dass diese Klasse uns alle unten halten will: Durch Kriegstreiberei; dadurch uns zu teilen und so zu beherrschen; dadurch uns krank zu machen und zu halten, damit wir uns nicht engagieren können; dadurch uns mit Einsatz der Massenmedien und mit Drogen und Alkohol einzulullen und zu programmieren, was wir denken und handeln sollen etc. Diese Kosten, die durch Steuern und Zinseszinsen von uns kassiert werden belasten nicht nur unsere Etats, sondern machen uns darüberhinaus noch krank, versklavt und unglücklich. — Aber der Schmarozer Mandeville möchte uns weißmachen, wie unentbehrlich diese Schmarotzer sind.
  52. Auch dieses Horrorszenario hat sich in der Republik nicht gezeigt: Nur dass sich heute die arbeitende Bevölkerung all die guten Sachen (Kleider wie Lebensmittel) leisten können, die vor 300 Jahren der Ober- und bestenfalls Mittelschicht vorbehalten war. Die Gerechtigkeit einer Republik bedingt eben nicht Konsumverzicht. Im Gegenteil: Das königliche Herrschen über die Massen bedingt Konsumverzicht für eben diese, wie aus des Dichters Zeilen deutlich hervorgeht.
  53. Wie kommt der Herr Doktor auf 1% arbeitende Bevölkerung zu 99% Schmarotzern. Das kann doch nur passieren, wenn er nicht zählen geht oder auf Statistiken aufbaut, sondern sich nur in seinem persönlichen Bekanntenkreis umschaut. Meines Wissens sind es eher 80% produktiv arbeitende Menschen (davon etwa die Hälfte kleine Angestellte und Arbeiter, der Rest Mittelstand), die 20% schmarotzende Nichtstuer und ihre unterdrückerischen Lakaien mit durchfüttern müssen. Jedoch ohne diese 20% wär unser Wohlstand kurzfristig eher 10x so hoch, wie heute.
  54. Die Befreiungskriege Amerikas zeigten jedoch andere Ergebnisse als diese Spekulationen: Da waren die Sieger die ehemals Unterdrückten, die sich vom Joch des Königs und seiner Steuerknechtschaft befreiten.
  55. Ich halte es für fraglich, ob Dr. Mandeville je Hunger kennengelernt hat. Doch die "produktive Dichotomie" von Hunger und Genuß zeigte sich damals in der 2-Klassengesellschaft: Die Freßsucht der Aristokraten wurde möglich durch das Hungern der Armen.